Vielfältige Kunstmetropole im Osten. Ein kultureller Spaziergang mit Museumsdirektorin Monika Jagfeld durch St.Gallen.
Einleitung
Die Stadt St.Gallen hat in Sachen zeitgenössischer Kunst einiges zu bieten. Bedeutende Künstler der Schweiz wie Roman Signer oder Pipilotti Rist stammen aus der Ostschweiz, und auch das Kunstangebot in den Museen und den öffentlichen Plätzen der Stadt lässt keine Wünsche offen. Gemeinsam mit Monika Jagfeld, Direktorin des Museum im Lagerhaus, gehen wir der Kunst- und Kulturvielfalt in St.Gallen auf die Spur.
St.Gallen
Im Mittelalter ein europäisches Zentrum für Bildung und Kultur, brachte es die Ostschweizer Stadt St.Gallen dank Stickereien zu Reichtum und Ansehen. Heute verzaubert die verkehrsfreie Altstadt mit bunten Erkern, netten Boutiquen, gemütlichen Cafés und dem Stiftsbezirk. Das Ensemble von Kirche und Bibliothek gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.
Das Lagerhaus in St.Gallen.
Der markante Gebäudekomplex wenige Schritte westlich des St.Galler Bahnhofs ist kaum zu übersehen. Bis in die 80er-Jahr diente diese Überbauung aus Backstein als Zollfreilager für die Textilindustrie. Heute ist die Kultur in dieses Gebäude eingezogen: Neben der Kunst Halle St.Gallen befinden sich hier Galerien und zahlreiche Ateliers. So liegt hier zum Beispiel auch das kreative Zuhause der international bekannten Riklin-Brüder, Patrik und Frank Riklin.
Art Brut und Naive Kunst.
Auch Monika Jagfeld geht beinahe täglich im Lagerhaus ein und aus. Seit 2008 ist sie Direktorin des nach dem Gebäudekomplex benannten Museum im Lagerhaus. Dieses ist das einzige Museum der Schweiz, das sich spezialisiert hat auf die Schweizer Outsider Art, Art Brut und Naive Kunst.
Diesen Kunstrichtungen ist gemeinsam, dass ihre Werke von Künstlerinnen und Künstlern geschaffen wurden, die ausserhalb des professionellen Kunstbetriebs stehen: von Laien und Autodidakten, die nie eine akademische Kunstausbildung absolviert haben. Das Museum im Lagerhaus verfügt über eine Sammlung mit über 8000 Werken von mehr als 180 Künstlerinnen und Künstlern dieser Kunstsparte.
Kunst auf Schritt und Tritt. Die Stadt St.Gallen gleicht einem grossen Museum.
Eine Uhr zum Auftakt.
Wie sich auf einem Stadt-Spaziergang mit Monika Jagfeld rasch zeigt: Kunst findet in St.Gallen nicht nur in den Museen und Galerien statt. Sie ist allgegenwärtig im öffentlichen Raum der Stadt. Das zeigt sich bereits, wenn man am Bahnhof von St.Gallen ankommt. Bahnreisende und Pendler werden begrüsst von der Binären Uhr des St.Galler Künstlers Norbert Möslang. Sie ist ein guter Auftakt dessen, was es in der Stadt an Kunst zu entdecken gibt.
Moderne Akzente im Stadtbild.
Unweit des Bahnhofs am Marktplatz hat ein weiterer Meister seines Fachs markante Spuren hinterlassen: Santiago Calatrava. Die Wartehalle auf dem Bohl (1996) ist eines von insgesamt drei Projekten, welche der Stararchitekt in St.Gallen realisiert hat.
Ein Schaufenster für die Kunst.
Mitten in der Altstadt findet man zwei Kunstschaufenster, in einer Mauer installiert, die von wechselnden Künstlerinnen und Künstlern bespielt werden. Das Projekt nennt sich Hiltibold. Im Abstand von drei Wochen zeigt Hiltibold je zwei aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst in seinen Vitrinen. Bei jedem Wechsel wird am Brunnen vom Hiltibold auf die neuen Kunstschaffenden angestossen.
Das Fass des Anstosses.
Am Oberen Graben in einem kleinen Park thront ein plätscherndes Fass auf einem Sockel aus Stahl: Der «Fassbrunnen» von Roman Signer. Vor rund 30 Jahren sorgte das rote Fass in St.Gallen für hochrote Köpfe und hitzige Debatten. Heute zählt der Wahl-Sankt-Galler Roman Signer zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern Europas.
Die Kunst des Geniessens. Monika Jagfeld beim Kaffee in der Militärkantine.
Kunst und Kultur kommt auch in den Kaffeehäusern und Restaurants der Stadt nicht zu kurz. Unweit des «Museum im Lagerhaus» liegt die Militärkantine, wo Monika Jagfeld gerne ab und zu auf einen Kaffee vorbeigeht. Von Kastanienbäumen umgeben, diente der um 1900 erstellte Riegelbau ursprünglich als Offiziersunterkunft. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz, umfasst ein Restaurant mit Hotel und wird auch als kultureller Veranstaltungsort genutzt.
Ein Park für die Kunst. Monika Jagfeld im Museumsviertel.
Ein Park für die Kunst.
Die nächste Station auf dem Spaziergang ist das St.Galler Museumsquartier: Hier befindet sich neben dem Historischen Museum auch das Kunstmuseum St.Gallen. Das 1877 eröffnete Kunstmuseum zählt zu den ältesten Museen der Schweiz. Die Sammlung umfasst Gemälde und Skulpturen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, die in einer Dauerausstellung gezeigt werden. Der neoklassizistische Bau von Architekt Johann Christoph Kunkler wurde 1877 erbaut und zählt zu den bedeutendsten seiner Art. Verbunden werden die beiden Museen durch einen schönen Stadtpark, wo es wiederum Kunst zu entdecken gibt: zum Beispiel des internationalen Künstlers Richard Serra, aber auch des lokalen Künstlers Max Oertli.
Ein rotes Wohnzimmer mitten in der Stadt.
Krönender Abschluss in Rot.
Die letzte Station der St.Galler Kunsttour führt auf einen markanten roten Platz: Die Stadtlounge der Multimedia-Künstlerin Pipilotti Rist und des Architekten Carlos Martinez, ein grosses rotes Wohnzimmer mitten in der Stadt. Der im Jahr 2005 eröffnete Platz ist konzipiert als Begegnungsort, an dem sich die Bewohner und Gäste der Stadt wohlfühlen und verweilen sollen.
Wie funktioniert die binäre Uhr in St.Gallen? Eine Bedienungsanleitung.
Bei dieser Uhr ist Kopfrechnen angesagt.
Die Kreise in der oberen Reihe stehen für die Stunden, die Kreuze in der Mitte für die Minuten und die Quadrate unten für die Sekunden. Von rechts nach links gelesen, stehen die Symbole für die Zahlen 1, 2, 4, 8, 16 und 32. Nun gilt es, die erleuchteten Symbole zu addieren.
Resultat: Die Uhrzeit auf dem Bild ist 19.52 Uhr und 40 Sekunden.