Machtstrukturen, Wirtschaft, Gesellschaft
Von den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen des 18. Jahrhunderts konnten nicht alle profitieren. Dies führte zu Spannungen, Aufständen und zur Gründung der Helvetischen Gesellschaft.
Im 18. Jahrhundert glich die alte Eidgenossenschaft angesichts der in Europa vorherrschenden zentral regierten Monarchien einem Überbleibsel aus dem Spätmittelalter, war sie doch keineswegs ein Staat im modernen Sinne. Vielmehr bestand sie aus einem Geflecht souveräner Kleinstaaten, die sich in einem losen Staatenbund zusammengeschlossen hatten. Dabei waren aber nicht alle Gebiete der Schweiz gleichermassen in diesen Bund eingeschlossen.
Als einzige gemeinsame Institution des Bündnissgeflechts fungierte die Tagsatzung, in der die vollberechtigten Orte mit je zwei und die zugewandten Orte mit je einem Gesandten vertreten war. Ihre wichtigsten Aufgaben waren die Verwaltung der gemeinsamen Herrschaften, die Aussenpolitik und die Verteidigung. Ihre Macht war jedoch sehr beschränkt und die Entscheidungsfindung bei Abstimmungen, welche Einstimmigkeit erforderte, war angesichts der durch die Orte instruierten Gesandten eher selten.
Die Stärkung der Staatsgewalt nach dem französischen Vorbild des Absolutismus brachte in den verschiedenen Orten der Schweiz drei Verfassungstypen hervor, die aristokratische Formen und Gottesgnadentum mit den republikanischen Traditionen vereinten:
- In den Städteorten Bern, Solothurn, Freiburg und Luzern das Patriziat, das Regiment weniger alteingesessener Geschlechter;
- die Zunftaristokratie in Zürich, Basel und Schaffhausen; sie begrenzte die Oligarchie der alteingesessenen Geschlechter durch den Einfluss der Zünfte;
- in den Landsgemeindeorten schliesslich entwickelte sich ebenfalls eine gemeinsame Aristokratie des alten Landadels und der durch den Solddienst zu Reichtum und Adelsprädikaten gekommenen Familien.
Opposition gegen bestehende Machtstrukturen
Einer der bekanntesten Widerstandskämpfer war der waadtländer Jurist und Offizier Major Davel (1670-1723). 1723 reichte er bei den Behörden in Lausanne ein Manifest ein, in dem er die Unabhängigkeit vom Kanton Bern und den Beitritt der Waadt als 14. Vollmitglied der Eidgenossenschaft forderte. Als Antwort auf seine Forderung wurde Davel verhaftet und hingerichtet, was damals kein grosses Aufsehen erregte. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Davel in der Waadt als Held betrachtet.Die Helvetische Gesellschaft
Die zeitgenössischen Dichter und Gelehrten liessen durch ihre Verteidigung der bestehenden oder eingebildeten schweizerischen Eigenarten zum ersten Mal ein Schweizer Nationalbewusstsein entstehen. 1761/62 manifestierten sich diese patriotischen und aufklärerischen Strömungen in der Gründung der Helvetischen Gesellschaft.Der Helvetischen Gesellschaft gehörten reformierte und römisch katholische Denker aus dem ganzen Land an. In der Helvetischen Gesellschaft fand das neue nationale Selbstbewusstsein ihr Zentrum. In der bedeutendsten gesamtschweizerischen Vereinigung wurden im Geist der Zeit (Sozietätsbewegung) eine alle Grenzen überschreitende Freundschaft, die Entfaltung eines Nationalgefühls und der eidgenössische Zusammenhalt gepflegt. Die republikanischen Tugenden sollten zur Freiheit, Gleichheit und Überwindung des Konfessionalismus (Religiöse Toleranz) weiterentwickelt werden. Die geistige und sittliche Erziehung des Einzelnen und die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen sollten verbessert werden. Hier entstand die Idee einer die Trennung von Konfessionen und Kanton überschreitenden Idee der Schweiz.
Neben der Helvetischen Gesellschaft entstanden auch verschiedene Debattierklubs, Lesezirkel und andere Vereinigungen. Diese vermittelten und verbreiteten umstürzlerisches Gedankengut von Denkern wie Diderot („Niemand hat von Natur aus das Recht, anderen Befehle zu erteilen"), Voltaire und Rousseau („Man wird frei geboren, lebt jedoch überall in Ketten").
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckte die Literatur auch das Motiv der gemeinsamen heldenhaften Vergangenheit vor Marignano, die seither als «Schlachtengeschichte» bis ins späte 20. Jahrhundert das Geschichtsbild der Schweiz bestimmte. Durch den Rückbezug auf die gemeinsame idealisierte Vergangenheit konnte so die Auseinandersetzung mit der schwierigen Zeit der konfessionellen Spannungen vermieden werden.
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